Wertvolle Briefsammlung wiederentdeckt

Seit 1950 wird alljährlich der Finnentag in der kleinen Gemeinde Hohenlockstedt in Schleswig-Holstein gefeiert. Anlass ist die Ankunft der ersten finnischen Freiwilligen im Februar 1915 im damaligen Lockstedter Lager, in dem sie eine militärische Ausbildung erhielten als Mitglieder des Königlich Preußischen Jägerbataillons Nr.27.

Achim Jabusch, ehemaliger Vorsitzender des Vereins für Kultur und Geschichte von Hohenlockstedt, erhielt 2021 eine umfangreiche Sammlung von Fotos und Briefen aus der Zeit. Sie dokumentieren sowohl die Ereignisse als auch die freundschaftlichen Beziehungen, die sich aus der Ausbildungszeit der jungen finnischen Freiwilligen, die für den Unabhängigkeitskampf Finnlands ausgebildet wurden, entwickelten.

Hier beschreibt Achim Jabusch den Hintergrund der Sammlung:

Die Briefe der Familien Hein und Schütt

Dierk Hein mit seiner Tochter Petra Leinigen. Foto: A. Jabusch

Im Jahr 1980, nach dem Tod von Käthe Hein (geb. Schütt) und kurz bevor Petra Leinigen (geb.Hein), die jüngste Tochter von Dierk und Marga Hein, für 4 Monate als Au pair nach Finnland ging, beschloss die Familie, ihr die geschichtlich wertvolle und interessante Sammlung zur Aufbewahrung zu übergeben. Während ihrer Zeit in Finnland hatte Petra einen sehr engen Kontakt zur Familie Gunvor und Per Ziliaccus. Sie lernte die finnische Sprache mit großem Erfolg. Finnland ist sie noch immer sehr verbunden und spricht auch heute noch sehr gut finnisch. Durch ihre Heirat und Familiengründung gerieten die Briefe etwas aus dem Blickfeld – bis zum Jahr 2021.

Petra Leinigen übergab mir die Sammlung in einem Karton mit unsortierten Briefumschlägen und Postkarten, Zeitungsausschnitten in deutscher und finnischer Sprache, alten Reiseprogrammen, Medaillen, einigen Ausgaben der “ Parole“ aus den 1920er Jahren, eine sogar vom 6. Dezember 1922, ein Fotoalbum einer finnischen Besuchergruppe im Lockstedter Lager sowie eine Anzahl von bisher unbekannten Fotos. Bevor diese einzigartigen Dokumente dem Museum übergeben werden sollten, ordnete und sichtete ich sie.

Langjährige Brieffreundschaften

Mehr als 10 ehemalige Jäger befinden sich als Absender unter den Briefdokumenten an die Familie Schütt und die Familie Dr. Claus Hein. Die älteste Karte dieser Sammlung ist auf den  9. Januar 1917 datiert und von der Ostfront abgeschickt worden, geschrieben vom Geschützführer Jäger Snellman.

Zwischen einigen der ehemaligen 27er Jäger gab es sehr enge Kontake nach Lockstedter Lager. Hervorzuheben ist hier General Väinö Wainio, der insgesamt 22 Briefe und Karten nach Lockstedter Lager und Kellinghusen sendete, so auch von seiner Pionierausbildung in Dessau – Rosslau im Jahr 1942 oder von der finnischen Ostfront im Fortsetzungskrieg 1943.

Später auch als Kommandeur der Garnision in Kouvola. Der Briefkontakt bestand bis in die 1980er Jahre. Es folgen Oberst Polón, der ebenfalls am 1.2.1940 aus dem Winterkrieg schrieb“ Gute Freunde hat man gern“, Oberst Walter Horn mit jeweils  15 Schriftstücken. Weitere Schreiber waren Hannes Anttila, Oberst Verna Gustafson, Eino Mustonen General Sihvo und K. Österlund.

Briefe mit persönlichen Details

Einige Briefe sind vom Inhalt her sehr persönlich geprägt, insbesondere die Konversation zwischen dem späteren General Väinö Vainio und Dr. Claus Hein. Es sind besondere Briefe und Dokumente, die auch einen kleinen Einblick in die Persönlichkeit von Dr. Claus Hein zulassen. Nur wenige Menschen dürften heute noch Wissen, dass Dr. Claus Hein ab 1914 als Vertragsväterinär im Artillerie Regiment 9 Itzehoe gedient hat, in dem Regiment, das später die ersten Jägerartilleristen ausbildete. Ein weiteres Dokument zeigt, dass Dr. Hein auch als Ansprechpartner zwischen Bahnhofsbetriebsamt Osnabrück und dem damaligen Jägerbund in Helsinki fungierte, als es um die Übermittlung der Namen der beim Eisenbahnunglück in Osnabrück ums Leben gekommenen Jäger ging. Ebenso ist es belegt, dass Dr. Hein während der NS-Zeit, im Jahr 1935, von der Staatspolizei in Schutzhaft genommen wurde, erst für 4 und dann für 3 weitere Tage, weil er sich herabwürdigend über die SA geäußert haben soll.

Unter den Briefen befindet sich auch ein Vortrag mit persönlichen Eindrücken eines ehemaligen Jägers während eines Besuchs im Lockstedter Lager in den 1950er Jahren. Die örtlichen Veränderungen vergleicht er mit seinen Erinnerungen an das alte Lockstedter Lager zur Jägerzeit auf sehr bewegende und eindringliche Weise.

Drei Bücher erschienen

Café Schütt an der Kieler Straße im Lockstedter Lager

Diese Briefe und Texte ergänzen und bestätigen ebenso die bisherige Arbeit von Dierk Hein, der in 3 Büchern, die im Selbstverlag erschienen sind, die Verbindungen seiner Familie zu den 27er Jägern, in den nachfolgenden Ausgaben beschreibt.

Aus Anlass des Jubiläums „125 Jahre Café Schütt“ im  Jahr 2006, hatte Dierk Hein das Erste von 3 selbstverlegten Büchern herausgegeben. Das zweite Buch erschien im Jahr 2014 zur Ausstellung im Museum am Wasserturm “ Helm ab zum Gebet„, aus Anlass des Ausbruchs des Weltkriegs vor 100 Jahren. Er thematisiert auch hier die Ausbildung der finnischen Freiwilligen im Lockstedter Lager. Nur 1 Jahr später anlässlich der Feierlichkeiten zum “ 100 Jahrestag der Ankunft der finnischen Freiwilligen im Lockstedter Lager“, erschien das 3. Buch mit dem Titel  „Die finnische Jägerbewegung  1915 – 2015„.

Bericht von Väinö Wainio über seinen Besuch im Lockstedter Lager in 1922

Die kürzlich wiederendeckte Briefsammlung ist auch deshalb besonders wertvoll, da sie sehr persönliche Verbindungen handelnder Personen von damals aufzeigt, die das Fundament für eine einzigartige,  jahrzehntelange Freundschaft zwischen Finnland und Hohenlockstedt, dem ehemaligen Lockstedter Lager, gelegt und bis heute geprägt haben.

Achim Jabusch

 

Wer sich für die originalen Briefe, Fotos und sonstiges Material aus der Sammlung interessiert, kann sie im Museum am Wasserturm besichtigen.

Der diesjährige Finnentag findet am Samstag, den 4. März 2023 statt. Darüber hinaus organisiert die Arthur Boskamp-Stiftung in Kooperation mit dem Finnland Institut einen Tag der offenen Tür im Högerbau, dem ehemaligen Soldatenheim, am Finnentag sowie ein Rahmenprogramm von Freitag bis Sonntag.

Weitere Informationen

Museum am Wasserturm, Hohenlockstedt

 

Beitragsfoto oben: Soldaten vor dem Café Schütt, einem beliebten Treffpunkt der finnischen Jäger, ca. 1916