Mit Hula Hoop gegen den Corona-Blues!

Als ehemalige Leiterin der finnischen Seemannskirche in Hamburg und als langjährige Vorsitzende des Hamburger DFG-Landesvereins ist Satu Oldendorff in den deutsch-finnischen Kreisen in Norddeutschland sehr bekannt. Seit ihrer Pensionierung lebt Satu in Helsinki und berichtet uns über ihre persönlichen Erfahrungen der letzten Tage in dieser außergewöhnlichen Zeit.

DFG S-H: Wie reagieren die Menschen in Finnland auf die aktuelle Situation?

Satu: Viele haben die durch die Corona-Krise verursachten Einschränkungen von Anfang an ernst genommen, aber es gibt immer Menschen, die sich dagegen wehren. Ich selbst befolge sehr gehorsam die Anweisungen der Regierung.

In Helsinki ist die Nachbarschaftshilfe sehr aktiv gewesen. Innerhalb der Wohngemeinschaften hilft man sich gegenseitig bei Einkäufen usw.

DFG S-H: Was fehlt dir am meisten?

Satu: Das abrupte Ende aller kulturellen Veranstaltungen und der gemeinschaftlichen Aktivitäten der Sportvereine war schon etwas gewöhnungsbedürftig. Zumal auf der anderen Seite Bars und Restaurants noch geöffnet waren. Noch am vergangenen Wochenende waren die Restaurants voll.

Es macht mich auch traurig, dass ich die Kinder und Enkelkinder nicht treffen darf. Mit meinen Freundinnen und Freunden in Deutschland und in Finnland bin ich regelmäßig telefonisch im Kontakt.

DFG S-H: Und wie geht es den finnischen Kindern in der aktuellen Situation?

Satu: Die jüngeren Kinder in den Kitas und Grundschulen sind gut versorgt. Die meisten Eltern arbeiten im Homeoffice und beteiligen sich nun aktiver als sonst am Unterrichten der Kinder. In Finnland ist Dank der sehr fortgeschrittenen Digitalisierung vieles jetzt sehr viel einfacher zu handhaben als in vielen anderen Ländern.

DFG S-H: Wie sieht momentan das Leben draußen auf den Straßen aus?

Satu: Da das Wetter in den vergangenen Tagen sehr sonnig war, sah man in den Parkanlagen sehr viele Menschen spazieren gehen. Ich habe bei meinen täglichen Spaziergängen die Erfahrung gemacht, dass Menschen jetzt öfter als sonst einen ansprechen und nach allen möglichen Sachen fragen. Natürlich hält man dabei den vorgeschriebenen Sicherheitsabstand ein!

Am Wochenende wurde ich z.B. auf meine besonders hübsche Mütze angesprochen oder man spricht über den gestiegenen Verbrauch der blauen Schokolade von Fazer usw.

Viele Familien fahren gemeinsam am Wochenende in Nationalparks und Naturschutzgebiete. In die ländlichen Regionen mit vielen Sommerhäusern sollte man ja zurzeit nicht reisen. Lappland war mit dem großen Run Richtung Norden auch groß in der Presse, aber die Skizentren mussten vorzeitig geschlossen werden, da es in Lappland nicht genügend Kapazitäten für eventuelle Intensivpflegefälle gibt.

DFG S-H: Was ist denn mit der Lieblingsbeschäftigung der Finnen, dem Saunen?

Satu: Im Kreise der Familie ist das Saunen weiterhin erlaubt. Nur die öffentlichen Saunen sind zurzeit geschlossen Auch in unserer Hausgemeinschaft gibt es jede Woche jeweils einen allgemeinen Termin für Damen und Herren, die sind zurzeit leider gestrichen.

DFG S-H: Wie wirkt sich die Corona-Krise wirtschaftlich in Finnland aus? Machen sich die Menschen Sorgen?

Satu: Die wirtschaftlichen Folgen beschäftigen die Menschen schon zunehmend. In vielen Familien macht man sich Sorgen, wie es weitergeht. Das finnische Sozialsystem fängt die meisten Menschen gut auf, aber es kann durchaus zu zeitlichen Verzögerungen und Problemen kommen.

Bisher sind ältere Mitarbeiter z.B. im Gesundheitsbereich noch nicht zu Arbeitseinsätzen verpflichtet worden. Aber wenn der Fall eintreten sollte, würde es auch mich als ausgebildete Krankenschwester treffen. Alle Fachkräfte können bis zum 68. Lebensjahr im Rahmen der Notverordnungen zu Einsätzen verpflichtet werden.

DFG S-H: Gibt es Anzeichen für eine durch die Isolation verursachte Vereinsamung der Menschen?

Satu: Die psychische Belastung der Menschen ist bisher noch nicht offen erkennbar. Aber wenn diese Lage noch längere Zeit anhält, wird sich das Gefühl der Einsamkeit bei manchen Menschen sicherlich verstärken.

Die Lage der sich in häuslicher Pflege befindlichen demenzkranken Menschen ist am schwierigsten. Sie brauchen eine strikte Regelmäßigkeit in ihrem täglichen Ablauf und die ist momentan nur sehr schwer zu gewährleisten.

Heute wurden in Finnland die für Krisensituationen vorgesehenen Lager mit Schutzkleidung und sonstigem Bedarf für die Gesundheitsfürsorge geöffnet. Es heißt, dass ausreichend Material vorhanden sei, die Mitarbeiter in den verschiedenen Einrichtungen signalisieren allerdings etwas Anderes. Wir warten auf aktuelle Instruktionen.

DFG S-H: Hast du noch einen Tipp für Familien, die sich wegen der großen Distanz jetzt nicht mehr so oft sehen können?

Satu: Meine Familie lebt in Helsinki, Turku und Hamburg. Wir halten täglich Kontakt, indem wir ein Ratespiel machen. Reihum nimmt jeder von uns eine kurze Videosequenz auf mit einer Tätigkeit, zu der dann eine Frage gestellt wird. Ein Kind machte einen Kopfstand, das zweite spielte mit der berühmtberüchtigten Klopapierrolle, Bälle wurden in ein Glas geworfen, Ausflugs- und Windelwechselzeiten wurden erraten und ich ließ meine Hüften mit einem Hula-Hoop-Reifen kreisen. In einer Excel-Tabelle wird der jeweilige Punktestand festgehalten. Ich warte schon immer ganz gespannt auf die Frage des Tages und freue mich auf das gemeinsame Raten! Auf diese Weise stärken wir den Zusammenhalt unserer Familiengemeinschaft.

DFG S-H: Danke, Satu, für deine interessanten Einblicke in die aktuelle Lage der Menschen in Finnland. Komm gut durch die Zeit der Corona-Epidemie, bleib gesund und zuversichtlich!

 

 

 

Beitragsfoto: Marko Toljamo