Ein Land, zwei Sprachen

Seit dem Europäischen Jahr der Sprachen in 2001 steht der 26. September als Initiative des Europarats alljährlich im Zeichen der Förderung des Sprachenlernens und der sprachlichen Vielfalt in Europa. Regional- und Minderheitensprachen nehmen eine besondere Rolle ein.

In einer modernen Gesellschaft wird die mehrsprachige Verständigung als eine Grundkompetenz betrachtet. Es gibt nur wenige europäische Länder, die sich einsprachig nennen können. Die Sprachen der Minderheiten sind jedoch ein integrierter Bestandteil des gemeinsamen europäischen Kulturerbes. Die meisten Angehörigen der kleinen Sprachgruppen sind zweisprachig. Sie können zur Weiterentwicklung ihrer eigenen Kultur beitragen und gleichzeitig am weltumspannenden Kommunikationsnetz teilhaben. Allerdings genießen sie nur selten den gleichen sprachlichen Status wie jener Teil der Bevölkerung, der die Mehrheitssprache des Landes spricht. Finnland ist hier eine Ausnahme, die die Regel bestätigt.

Verfassungsrechtlich garantiert

Im März 2000 bekam Finnland eine neue Verfassung. Wie auch die frühere Verfassung, schreibt sie fest, dass Finnisch und Schwedisch die Nationalsprachen des Landes sind. Dies bedeutet, dass soziale Dienstleistungen, Schulunterricht und Ausbildung sowie die Übermittlung von Informationen in beiden Sprachen erfolgen soll. Auch die gesamte finnische Verwaltung ist dem Gesetz nach zweisprachig. Gemäß dem Sprachgesetz hat jeder Bürger das Recht, im Umgang mit staatlichen Behörden seine eigene Sprache zu verwenden und in dieser auch bedient zu werden. Weiterhin müssen Schilder, Formulare, Broschüren u.ä. in beiden Sprachen beschriftet bzw. erhältlich sein. Für die Ålandinseln wurde bereits in der Verfassung von 1919  eine andere, international garantierte Regelung geschaffen, deren Grundpfeiler Selbstverwaltung und eine einzige Sprache – Schwedisch – für die ganze Provinz sind.

Das Nationalepos Kalevala hat wesentlich zur Identität und Sprache der Finnen beigetragen.

Heute sind ca. 5,5 % der Bevölkerung schwedischsprachig. Die starke Stellung der schwedischen Sprache in Finnland hat historische Gründe. Im 14. Jahrhundert wurden die südwestlichen Gebiete der finnischen Halbinsel mit ihren Bewohnern an das schwedische Königreich eingegliedert. Nur Ostfinnland, d.h. Karelien, fiel für eine lange Zeit in die Sphäre der russisch-byzantinischen Welt. Mit der schwedischen Herrschaft verwurzelte sich neben der schwedischen Gesellschafts- und Rechtsordnung die schwedische Sprache als Amts- und Kultursprache in Finnland. Diesen Status behielt die schwedische Sprache auch noch während der Autonomiezeit Finnlands, als das Land 1809 ein autonomes Großfürstentum unter dem russischen Zaren wurde.

Erst Anfang des 19. Jahrhunderts, als die Ideologien der neuen Romantiker, die die Wegbereiter der Nationalitätsidee waren, auch Finnland erreichten, entstand eine Bewegung für die finnische Sprache. Mitte des 19. Jahrhunderts kam dann der Durchbruch: 1851 wurde eine Professur der finnischen Sprache und Literatur gegründet, 1852 wurde die erste finnisch geschriebene Dissertation an der Universität vorgelegt und 1858 die erste höhere Schule mit finnischer Unterrichtssprache eröffnet.

Eigene Schulen und Medien

Schwedisch spielte als grundlegende Sprache in der Öffentlichkeit und im kulturellen Leben in der finnischen Gesellschaft immer eine wichtige Rolle. Allerdings hat der Anteil der Finnlandschweden an der Gesamtbevölkerung Finnlands seit Jahrzehnten stetig abgenommen. Dass die Schulbildung auf Schwedisch erfolgt, ist eine wichtige Voraussetzung für den Fortbestand der schwedischen Sprache und Kultur in Finnland. Es gibt ca. 280 Grundschulen, in denen mehr als 30 000 Kinder der 1.-9. Klassen in schwedischer Sprache unterrichtet werden. Zusätzlich wird auch in weiterführenden Schulen schwedischsprachiger Unterricht angeboten. Auf Universitätsniveau gibt es zwei einsprachig schwedische Einrichtungen, die Åbo Akademie und die Schwedische Wirtschaftshochschule Hanken.

Nur in wenigen Teilen der Welt gibt es eine vergleichbare Tageszeitungsdichte: 11 schwedischsprachige Tageszeitungen werden in Finnland veröffentlicht. Die größte Tageszeitung ist mit einer Auflage von knapp 30.000 Exemplaren Hufvudstadsbladet, gefolgt von der in Pohjanmaa erscheinenden Vasabladet. Der finnische Rundfunk YLE hat eine eigene schwedischsprachige Abteilung. Die Sendezeit des schwedischsprachigen Programms, ausgestrahlt auf zwei Kanälen, beträgt rund ein Zehntel des gesamten YLE-Programmangebots.

Um den Fortbestand der schwedischsprachigen Kultur in Finnland zu sichern, sind große Herausforderungen zu bewältigen, zumal es abgesehen von den Ålandinseln kein zusammenhängendes Gebiet in Finnland gibt, in dem die Stellung der schwedischen Sprache garantiert wäre.  Zwar sind die sprachlichen Rechte durch ein modernes Gesetz gesichert, aber jeder schwedischsprachige Bürger trägt Mitverantwortung dafür, dass dieses Gesetz auch tatsächlich umgesetzt wird. Ohne Nachfrage nach Service in schwedischer Sprache besteht für die Behörden kein Anreiz, einen solchen Service anzubieten oder für Mitarbeiter entsprechende Sprachunterrichtsprogramme zu organisieren. Das gesellschaftliche Miteinander über die Sprachgrenzen hinweg und die Förderung eines positiven Klimas zwischen den beiden Sprachgruppen wird eine immer wichtigere Rolle für die Zukunft der schwedischsprachigen Bevölkerung in Finnland spielen.

Weitere Informationen:

Schwedische Literaturgesellschaft in Finnland (auf Englisch)

Schwedischsprachige Schulen in Finnland (auf Englisch)

 

Beitragsfoto: Visit Finland/Julia Kivelä