Tag der Bürgerbeteiligung

In Finnland wehen mal wieder die Flaggen – am 1. Oktober wird der Tag von Miina Sillanpää und der Bürgerbeteiligung gefeiert.

Im Oktober 2016 wurden zum ersten Mal anlässlich des 150.  Miina Sillanpää-Jubiläumsjahres landesweit die Flaggen gehisst. Damit sollten nicht nur die Leistungen der bekannten Frauenrechtlerin und Politikerin gewürdigt, sondern auch die Bedeutung des politischen Engagements aller Bürger hervorgehoben werden. Es war damals eine einmalige Maßnahme, die jedoch so gut angenommen wurde, dass das Innenministerium und das Almanachbüro der Universität Helsinki (Helsingin yliopiston almanakkatoimisto) den Tag nun zum offiziellen Beflaggungstag erklärte. Er wird erstmalig im offiziellen Kalender ab 2023 aufgeführt.

Der Miina Sillanpää Verein hat in 2018 vorgeschlagen, den Tag auch zum Tag der offenen Türen für alle Vereine und Organisationen zu erklären. Seitdem nutzen viele Organisationen den Tag der Bürgerbeteiligung, um auf ihre Tätigkeit aufmerksam zu machen und neue Mitglieder zu werben.

Miina Sillanpää – vom Dienstmädchen zur Ministerin

Miina Sillanpää 1907 im finnischen Parlament.
Foto: Museovirasto/J.Indursky

Miina Sillanpää wurde 1866 in der Gemeinde Jokioinen, die zwischen Turku und Hämeenlinna liegt, als siebtes von neun Kindern geboren. Die Familie lebte in ärmlichen Verhältnissen, so dass Miina nach zwei Schulsemestern in einer „Wanderschule“ (kiertokoulu) bereits mit 12 Jahren in der Baumwollspinnerei in Forssa arbeiten musste. Dort  konnte sie jedoch den von der Spinnerei angebotenen Unterricht besuchen und als fleißige und wissbegierige Schülerin hat sie sich darüber hinaus viel Wissen durch Ausleihen von Büchern und Zeitungen angeeignet. In 1884 trat sie ihre erste Stelle als Dienstmädchen an. Sie besuchte nebenher Kurse der Volkshochschule und hatte das Glück, in ihrem Arbeitgeber, dem Lektor Unonius in Helsinki, einen aufgeschlossenen Gesprächspartner gefunden zu haben, mit dem sie über gesellschaftspolitische Themen und die Situation der Hausangestellten generell diskutieren konnte.

Aktive Frauenrechtlerin

Miina Sillanpää wurde 1898 Gründungsmitglied des Dienstmädchenvereins von Helsinki (Helsingin palvelijataryhdistys), später Vorsitzende, die sie auch bis zu ihrem Tod mehr als 50 Jahre blieb. Damit war sie eine Pionierin des Gewerkschaftswesens in Finnland.

Im Jahr 1899 gab sie ihre Stelle als Dienstmädchen auf und widmete sich ganz der Arbeit des Vereins. Darüber hinaus war sie in anderen Organisationen aktiv und wirkte u.a. auch als Journalistin. 1904 wurde sie Mitglied der Frauengruppe der Sozialdemokratischen Partei Finnlands. Miina Sillanpää kämpfte aktiv für die Durchsetzung des allgemeinen Wahlrechts der Frauen und war dann auch eine der 19 Frauen, die als erste weibliche Abgeordnete in das neu gegründete Einkammerparlament Finnlands in 1907 gewählt wurde. Dort wirkte sie insgesamt 38 Jahre, was bis heute einen Rekord für weibliche Parlamentarierinnen in Finnland darstellt. Unermüdlich trat sie für soziale Gerechtigkeit und für die Verbesserung der Stellung der Frauen ein. 1926 wurde Miina Sillanpää zur ersten finnischen Ministerin für Soziales ernannt. Im gleichen Jahr wurde auch ein Gesetz erlassen, das den Frauen den Zugang zu staatlichen Ämtern ermöglichte, d.h. die ersten finnischen Beamtinnen wurden etabliert.

Schutz für Frauen und Kinder

Ihre letzte große Errungenschaft war die Gründung der Frauenhäuser in Finnland. Seit ihrem Start als Politikerin gab es Eingaben zur Gründung von Heimen für alleinerziehende Mütter und ihre unter schwierigen Bedingungen lebende Kinder. Gegen große Widerstände und sogar Häme gelang es ihr schließlich, eine Finanzierung für ihr Herzensprojekt zu organisieren und noch während der Kriegswirren von 1942 wurde in Helsinki das erste Frauenhaus eröffnet. Später folgten Häuser in Oulu, Tampere, Turku und Pori. Heute gibt es landesweit 28 Vereine, die Familien in schwierigen Lebensverhältnissen unterstützen und Präventivarbeit gegen häusliche Gewalt leisten.

Quellen und weitere Informationen:

Miina Sillanpää seura (fi)

SOSTE ry/Järjestöjen päivä (fi)

 

Beitragsfoto oben: Stadt Helsinki/Markku Juntunen