100 Jahre Väinö Linna – mehr als ein Schriftsteller
Am 20. Dezember jährt sich der Geburtstag des finnischen Schriftstellers Väinö Linna zum 100. Mal. Seine bekanntesten Werke sind Der unbekannte Soldat und die Romantrilogie Hier unter dem Polarstern.
Väinö Linna wurde am 20. Dezember 1920 in Urjala, südlich von Tampere, als siebtes von 10 Kindern von Vihtori und Maija Linna geboren. Bereits mit fünf Jahren konnte er lesen und entdeckte während seiner Grundschulzeit die literarischen Schätze der örtlichen Bibliothek. Mit 18 Jahren zog es ihn nach Tampere, wo er eine Anstellung in der damaligen Spinnerei von Finlayson bekam.
Während des Winterkrieges 1939-1940 diente er als Soldat beim Heimatschutz in Tampere, danach trat er eine Ausbildung zum Unteroffizier an. Während des Fortsetzungskrieges 1941-1944 war er mit der Maschinengewehrkompanie des 8. Infanterieregiments in Syväri östlich des Ladogasees stationiert. Dort hat er an kleineren Gefechten der Aufmarschphase teilgenommen und schließlich an dem insgesamt 33 Monate andauernden Stellungskrieg.
Erste literarische Versuche im Schützengraben
Im Sommer 1942 hatten die Soldaten viel freie Zeit zwischen den Wachen. In dieser Zeit hat er seine ersten literarischen Versuche gestartet, indem er eine Geschichte über das Vorrücken des Regiments und die Gefechte nach der Überschreitung der Landesgrenze bis zum Fluss Syväri schrieb. Er hat das Skript einem Verlag geschickt, aber es kam mit dem Vermerk zurück, dass der Text unausgereift und plump sei. Das hat Väinö Linna jedoch erst recht angespornt, es besser zu machen. Im Frühjahr 1943, noch vor dem großen Angriff der sowjetischen Truppen, wurde der Stabsunteroffizier Linna nach Miehikkälä nahe Vaalimaa an der heutigen finnisch-russischen Grenze versetzt, um Rekruten auszubilden. Dort blieb er bis zum Ende des Krieges und lernte auch seine Frau Kerttu kennen.
Schriftsteller und kritischer Bürger
Nach dem Krieg kehrte er nach Tampere zurück und nahm wieder seine alte Stelle in der Spinnerei von Finlayson an. Er schrieb weiter mit dem Ziel, eines Tages einen bedeutenden Roman zu veröffentlichen.
Nach einigen mehr oder weniger gelungenen Versuchen erschien 1954 sein bekanntestes Werk Der unbekannte Soldat (Originaltitel: Tuntematon sotilas) oder Kreuze in Karelien. Es ist ein Kriegsroman, der aus seinen eigenen Erfahrungen an der Front schöpft. Der Erfolg des Romans basiert auf den markanten Protagonisten, der Verwendung von Dialekten und der Darstellung des Krieges aus dem Blickwinkel der einfachen Soldaten. Gemäß des Klappentextes ist das Buch eine Kritik des Krieges und ein Monument für die finnischen Soldaten. Einige der Romanfiguren haben eine archetypische Stellung in der finnischen Kultur eingenommen.
Ebenso bekannt und erfolgreich war auch Väinö Linnas Romantrilogie Hier unter dem Polarstern (Originaltitel: Täällä Pohjantähden alla). Der Erfolg des Unbekannten Soldaten bot ihm die finanzielle Möglichkeit, als freier Schriftsteller zu arbeiten. So begann er, seine Idee von einem Roman aus dem Milieu seiner Kindheit zu realisieren und interviewte dafür viele ältere Menschen in seiner alten Heimat Urjala. Er drang dabei immer weiter zurück in die Vergangenheit und der Roman wurde zu einem geschichtlichen Epos über die gesamte finnische Gesellschaft auf dem Weg zu einer unabhängigen Nation bis in die Nachkriegszeit.
Die in 1959 – 1962 veröffentlichte Trilogie beschreibt das Leben einer Familie von den 1880er bis in die 1950er Jahre mit all den gesellschaftlichen Veränderungen aus dem Blickwinkel der einfachen Leute. Die Romane wurden als realistische Darstellung der damaligen gesellschaftlichen Verhältnisse betrachtet. Sie haben insbesondere eine kritische Diskussion über die Ereignisse des finnischen Bürgerkrieges entfacht und die Ansichten der Verliererseite, der „Roten“, in den Vordergrund gestellt. Es gibt auch Überschneidungen der Romane: einer der Soldaten aus dem Kriegsroman ist der Sohn von einem Ehepaar aus der Trilogie. Seine Todesszene in beiden Romanen ist nahezu identisch.
Sowohl Der unbekannte Soldat als auch die Pohjantähti-Trologie sind mehrmals verfilmt worden. Als junger Mann war Väinö Linna ein eifriger Kinogänger. Deshalb heißt es, dass er seine Romane auch in einer Weise geschrieben hat, dass sie leicht zu verfilmen sind. Der üppige Humor der Romane und die volksnahe Ausdrucksweise haben den Stil der damaligen Literatur stark beeinflusst. Viele der Aussagen und Redewendungen der Protagonisten haben ihren Weg in die Alltagssprache gefunden.
Linna sah sich selbst stets als einen Künstler. Viele namhafte Personen haben seine Werke als Weltliteratur bezeichnet und sein Name befand sich mehrmals auf der „longlist“ für den Nobelpreis für Literatur. Er hat aber nie die Stufe der Finalisten erreichen können. Dafür fehlte ihm die einstimmige Unterstützung seitens der finnischen Literaturelite, da einige der damaligen Vertreter des Modernismus seinen Stil für veraltet betrachteten. Ein weiteres Hindernis sah man in schlechten oder fehlenden Übersetzungen seiner Werke. Linna war als einziger Nicht-Akademiker Mitglied der Akademie Finnlands und nahm sehr aktiv an der öffentlichen Diskussion teil. Er war damit nicht nur ein Künstler, sondern ebenso ein gesellschaftspolitisch interessierter, kritischer Bürger und Beobachter.
Hier noch ein Interview mit Dr. Angela Plöger zum Thema Väinö Linna.
Quellen:
Beitragsfoto oben: Szene aus Der unbekannte Soldat, Museovirasto/Volker von Bonin (CC BY 4.0)