Finnische Sozialarbeit in Norddeutschland

Saara Mughal und Matti Rintamäki sind Sozialkuratoren der Finnischen Seemannskirche in Hamburg. Sie unterstützen die in Norddeutschland lebenden Auslandsfinninnen und –finnen bei der Bewältigung ihrer Probleme und der Behördengänge. Hier berichten sie uns über ihre Erfahrungen.

DFG S-H: Saara, du bist seit August 2020 gemeinsam mit Matti Sozialkuratorin der Finnischen Seemannskirche in Hamburg. Was möchtest du über dich erzählen?

Saara: Ich bin im vergangenen August nach Hamburg gezogen und habe gleich meine Arbeit als Sozialkuratorin der Finnischen Seemannskirche aufgenommen. Ich habe u.a. eine gemeinwesensorientierte sozialpädagogische Ausbildung (FH) in Finnland genossen und war lange in der praktischen Sonderjugendarbeit als Streetworkerin tätig. Darüber hinaus war ich bereits vor meinem Studium in einer Jugendorganisation und in verschiedenen Aufgaben in der Jugend- und Sozialarbeit in Finnland aktiv.

Ich bin in einer multikulturellen Familie aufgewachsen und habe bereits einige Male im Ausland gelebt, so dass die Herausforderungen des Lebens von Auswanderern mir nicht fremd sind.

DFG S-H: Wie hat die Eingewöhnung in Hamburg unter Coronabedingungen funktioniert?

Saara: Ein Umzug in der Coronazeit in ein fremdes Land und in eine neue berufliche Aufgabe ist natürlich nicht die einfachste Art, ein neues Leben in einer neuen Umgebung geschweige denn in einem fremden Land, zu starten. Aber alles hat erstaunlich gut geklappt. Natürlich warte ich schon ungeduldig darauf, dass sich die Lage wieder normalisiert und ich mehr persönliche Kontakte mit den Menschen haben kann. Und dass die Kontaktbeschränkungen das Leben nicht so einengen, sowohl im Beruf als auch in der Freizeit. Andererseits ist der Lockdown für mich bisher etwas einfacher gewesen, weil es in der neuen Stadt noch so viel Neues und Interessantes zu entdecken gibt.

DFG S-H: Matti, du arbeitest schon etwas länger als Sozialkurator der Finnischen Seemannskirche in Hamburg. Was möchtest du über dich erzählen?

Matti: Na ja, ich heiße Matti Rintamäki und habe den Abschluss als Diakon im Fach Soziale Arbeit an der FH in Finnland gemacht. Ich lebe jetzt seit 2 ½ Jahren in Hamburg und ich muss sagen, dass es mir hier sehr gut gefällt. Berufliche Erfahrungen habe ich im Bereich der Sonderpädagogik und als Streetworker gesammelt. In meiner Freizeit interessiere ich mich für Sport, insbesondere Fußball, sowie Brett- und Videospiele und gehe gerne in die Sauna.

DFG S-H: Wie würdet ihr eure Aufgabe als Sozialkuratoren beschreiben?

Saara: Die Zielgruppe der Sozialarbeit der Finnischen Seemannskirche sind die hier lebenden Auslandsfinninnen und -finnen, die Seefahrer und die LKW-Fahrer. Unser Ziel ist es, das Wohl dieser Menschen zu verbessern, indem wir lokale Gemeinschaften aufbauen, die sich gegenseitig um sich kümmern. Wir wollen den Menschen Unterstützung und Hilfe mit den Mitteln der Sozialarbeit anbieten. In erster Linie handelt es sich dabei um beratende Tätigkeiten, denn die konkreten Dienstleistungen werden von den lokalen Institutionen zur Verfügung gestellt. Unser Ziel ist es, dass die hier lebenden Finninnen und Finnen auch die ihnen zustehenden und von ihnen benötigten sozialen Dienstleistungen erhalten.

Wir beraten, wie man die lokalen sozialen Dienstleistungen und die medizinische Versorgung in Anspruch nehmen kann und unterstützen bei der Antragstellung. Manchmal gibt es allerdings Situationen, in denen es keinen Anspruch auf solche Dienstleistungen gibt, sei es wegen sprachlicher Probleme oder wegen eines zeitlich befristeten Arbeits- oder Studienaufenthaltes. Dann arbeiten wir enger mit der jeweiligen Person oder Familie zusammen und unterstützen sie bei der Bewältigung des Alltags. Wir arbeiten auch eng mit den lokalen und den finnischen Behörden zusammen.  Wir bieten außerdem Beratung und Informationen bei Ein- und Auswanderung an. Uns kann man nahezu alles fragen und unser Motto ist: wenn wir etwas nicht wissen, dann finden wir es heraus!

Matti: Ergänzend dazu ist meiner Meinung nach die wichtigste Aufgabe in unserem Beruf, gemeinsam mit den in Norddeutschland lebenden Finninnen und Finnen Wege zur Bewältigung der sich ständig verändernden Situationen des Alltags zu finden und die Freuden und Rückschläge des Lebens gemeinsam zu teilen und zu bewältigen. Ich glaube fest an die Kraft und Unterstützung der Gemeinschaft. Unter den in Norddeutschland lebenden Finninnen und Finnen gibt es so viele unterschiedliche Persönlichkeiten, die verschiedene Begabungen und Fähigkeiten besitzen. Wenn wir diese gemeinsam teilen und einsetzen, können wir viel Gutes bewirken!

DFG S-H: Wie weit außerhalb von Hamburg reicht euer Wirkungskreis?

Saara: Physisch arbeiten wir in Hamburg und in Berlin. Unser Bezirk erstreckt sich jedoch über ganz Norddeutschland, so dass alle hier lebenden Auslandsfinninnen und –finnen sich an uns wenden können. Wir können nicht immer zu jedem Hilfsbedürftigen hinfahren, aber wir bieten unsere Dienste über digitale  Verbindungen an, die heute sehr gut funktionieren und auch angenommen werden. Wenn es die Coronalage im Frühjahr zulässt, werden wir uns in den größeren Städten der Region persönlich vorstellen und über unsere Dienstleistungen mehr erzählen.

Matti: In Berlin haben wir mit der Sozialarbeit bereits im vergangenen Jahr begonnen und wir werden sie im Laufe dieses Jahres weiterentwickeln und etablieren. Wir sind regelmäßig in Berlin, aber insbesondere jetzt unter den besonderen  Umständen sollte man vorher mit uns Kontakt aufnehmen, damit wir dann ein Treffen während unseres nächsten Berlin-Besuches vereinbaren können.

DFG S-H: Was sind im Moment die größten Herausforderungen bei eurer Arbeit?

Saara: Natürlich bereitet uns die aktuelle Coronalage in Deutschland große Probleme. Versammlungen und insbesondere die persönliche Begegnung, die ja der Kern unserer Arbeit ist, sind sehr eingeschränkt. Aber wenn man mal Corona beiseitelässt, dann kämpfen wir sehr mit der Erreichbarkeit unserer Zielgruppe.  Wie finden Neuankömmlinge in Deutschland unser Serviceangebot, damit sie sich dann im Bedarfsfall an uns wenden können?

Matti: Darüber hinaus entwickeln wir das Serviceangebot für Familien mit kleinen Kindern und Menschen im Arbeitsleben, damit es den Erwartungen und Bedürfnissen dieser Zielgruppen entspricht. Auch das vermehrte Auftreten von psychischen Problemen ist bei Auslandsfinninnen und –finnen zu beobachten, insbesondere jetzt in der außergewöhnlichen Coronazeit.

DFG S-H: Welche durch die Coronabeschränkungen bedingte Auswirkungen habt ihr bei den Menschen beobachtet, mit denen ihr im Rahmen eurer Arbeit Kontakt hattet?

Saara: Die Coronabeschränkungen und der Lockdown machen sich sehr unterschiedlich bei den Menschen bemerkbar. Für einige haben diese sehr konkrete Auswirkungen, wie z.B. eine länger andauernde Beurlaubung oder gar der Verlust des Jobs. Diese Auswirkungen kommen oft mit einer Verzögerung und sie werden auch noch nach der Lockerung der Maßnahmen und der Normalisierung des Lebens präsent sein.

Matti: Die absolut sichtbarste Auswirkung im Rahmen unserer Arbeit ist das Schrumpfen des Lebensraumes der Menschen und die Einsamkeit, die viele weitere Probleme mit sich bringt.

DFG S-H: Wie kann man euch am besten erreichen, wenn man Gesprächs- oder Beratungsbedarf verspürt?

Saara: Hier sind unsere Kontaktdaten:

Saara Mughal
Mob.: 0160 281 7858
saara.mughal [at] merimieskirkko.fi

Matti Rintamäki
Mob.: 0171 621 0907
matti.rintamaki [at] merimieskirkko.fi

DFG S-H: Was ist euer größter Wunsch für das Jahr 2021?

Saara: Es ist sicherlich der gleiche wie bei den meisten Menschen: könnten wir doch bloß wieder in ein normales Leben zurückkehren! Oder zumindest bald in eine Normalität, die in der Post-Pandemiezeit möglich ist. Insbesondere als neue Mitarbeiterin sehne ich schon die Zeit herbei, in der ich sowohl den gewöhnlichen Alltag als auch die festlichen Momente der Finnischen Seemannskirche in Hamburg erleben kann. Und vor allem freue ich mich schon sehr darauf, die Menschen persönlich treffen und kennen lernen zu können!

DFG S-H: Vielen Dank für das informative Interview, wir wünschen euch viel Erfolg bei eurer wichtigen Arbeit!

Die Seemannskirche ist ein Treffpunkt für die finnische Gemeinschaft in und um Hamburg.