POTPURI – Interkulturelle Impressionen aus Turku

Von Eisbergen und kulturellen Rosinen im Hefezopf    –  

Blogbeitrag von Birgit Griese-Saarinen

Viele von uns nutzen sicherlich den Sommer für eine Auslandsreise, die ein kurzzeitiges  Eintauchen in die Gastlandkultur inklusive kulinarischer Genüsse, Folklore und Sightseeing ermöglicht. Genauer genommen kann man sich in der Touristenrolle bildlich gesprochen leicht die kulturellen Rosinen aus dem exotisch anmutenden Hefezopf picken und sich damit das Leben für die Dauer eines Urlaubs versüβen.

Treffen Personen aus verschiedenen Kulturen aufeinander, so fallen zunächst einmal die offensichtlichen Unterschiede in Form von Aussehen, Sprache, Kleidung, Essenskultur, Architektur oder Benimm-Regeln auf. Diese kulturellen Besonderheiten sind leicht erkennbar und werden daher auch evident culture genannt. Tourismus und Reisen in fremde Länder beschränken sich in der Regel auf diese Kulturmerkmale.

Arbeitet man jedoch mit Angehörigen anderer Kulturen zusammen, ist darüber hinaus die Beschäftigung mit den eher verborgenen Merkmalen einer Kultur, der sogenannten deep culture, unumgänglich: Wie tickt der ausländische Counterpart? Dabei geht es um unbewusste, von der Kindheit an im Rahmen der Sozialisation verinnerlichte Werte, Grundüberzeugungen und ungeschriebenen Regeln – sogenannte hidden rules des Zusammenlebens, die Orientierung geben und identitätsstiftend sind.  Es handelt sich somit um viel mehr als um Rosinen aus dem kulturellen Hefezopf, nämlich um eine ganzheitlichere Beschäftigung mit der anderen Kultur und die daraus entstehenden interkulturellen Herausforderungen in der Geschäftspraxis.

Die Spitze des Eisbergs

Foto: Simon Lee/Unsplash

In interkulturellen Trainings bedient man sich daher gern der Eisberg-Metapher: Denn wie bei einem Eisberg machen diese verborgenen Kulturelemente der deep culture bis zu 90% aus. Lediglich 10% einer Kultur sind also “offensichtlich”!

Führt man sich diese prozentuelle Verteilung vor Augen, so ist die Wichtigkeit der eingehenderen Beschäftigung mit der Kultur des Kooperationspartners z.B. in Form von interkulturellen Trainings nicht von der Hand zu weisen.

In Zeiten der Globalisierung ist die Beschäftigung mit dem kulturellen Hintergrund des ausländischen Counterparts jedoch oft keine Selbstverständlichkeit. Je mehr die internationale Zusammenarbeit zunimmt, desto häufiger scheint man davon auszugehen, dass kulturelle Unterschiede nicht ins Gewicht fallen und die Zusammenarbeit schon irgendwie klappen wird. Dies gilt auch für die deutsch-finnische Zusammenarbeit.

Erfahrungsgemäβ erfolgen aber in der Regel einer “Honeymoonphase” von 7-8 Monaten die ersten Reibungspunkte in der internationalen Zusammenarbeit. Häufig wird man als interkultureller Trainer erst hinzugezogen, wenn es bereits brennt und sich interkulturelle Konflikte zugespitzt haben, was wiederum mit einer bereits gesunkenen Arbeitseffizienz einhergeht.

Dabei können schon wenige Stunden interkulturelles Training (vorbeugend) dafür sorgen, dass – um bei obiger Metapher zu bleiben – so manche interkulturelle Eisbergkollision in Form von kulturellen Missverständnissen und -deutungen verhindert werden kann. Es geht um die Entwicklung von FAIRständnis füreinander und um eine ressourcenorientierte Optimierung der binationalen Zusammenarbeit.  Letztendlich also um eine kleine Investition mit groβer Wirkung und so manchen Aha!-Effekten – darüber mehr in den nächsten Blogbeiträgen.

In diesem Sinne: Hyvää loppukesää – einen schönen Spätsommer wünsche ich!

       Birgit

 

 

 

Weitere Informationen

FiDeCo

Frühere Beiträge:

Sommer kompakt vs. Sommer XL

Yötön Yö – die nachtlose Nacht im finnischen Sommer

“Keväääät!” – “Frühling!”  Oder: Selbst der strengste Winter hat Angst vor dem Frühling.

Oma maa mansikka, muu maa mustikka

Das Interview mit Birgit

 

 

Text und Fotos (sofern nicht anders angegeben): ©Birgit Griese-Saarinen, Fideco