POTPURI – Interkulturelle Impressionen aus Turku

Sommer kompakt versus Sommer XL –

Im aktuellen Blogbeitrag von Birgit geht es um die kulturellen Besonderheiten in Bezug auf die Gestaltung der Urlaubszeit im kurzen finnischen Sommer:

In meinen interkulturellen Trainings Deutschland-Finnland geht es oft um die Aufklärung von kulturellen Missverständnissen – und deutungen. Diese entstehen dadurch, dass man Sachverhalte durch die eigene “kulturelle Brille” interpretiert. Für viele deutsche Counterparts deckt der Begriff Sommer eine viel längere zeitliche  Periode ab als dies in Finnland der Fall ist. Der finnische Sommer wird

Die warmen Sommertage verbringt man gerne draußen. Foto: Kuuma sauna/Laura Vanzo

nach der Länge der Schulferien definiert, die in der Regel um die 11 (!) Wochen dauern und zwar von Anfang Juni bis Mitte August. Während dieser “kompakten” Sommerlänge blüht in Finnland neben der Natur auch das gemeinschaftliche und kulturelle Leben. So manches Mal stellt man sich die Frage, wie man sämtliche Einladungen in Sommerhäuser von Freunden und zu Festen – Abifeiern, Konfirmationen und Sommerhochzeiten inbegriffen – in diesen kurzen Zeitraum “packen” soll, wenn man nebenbei auch noch den Urlaub in anderen Gefilden oder im mökki, Ausflüge und kulturelle Veranstaltungen, wie z.B. die zahlreichen Musikfestivals, zeitlich unterbringen möchte. Da ist effektives sommerliches Zeitmanagement gefragt!

Ganz Finnland singt und klingt sozusagen zwischen Juni und August und man gerät fast unter Entscheidungsdruck bezüglich der Vergabe der ach so wertvollen Sommertage und -wochenenden.

Der “heilige Juli” à la Finnland

Die Intensitivität des kurzen finnischen Sommers und der Wunsch bzw. das Bedürfnis, diesen geniessen zu können, schlägt sich auch darin nieder, dass man den heiβ ersehnten Sommerurlaub gerne “am Stück” verbringen möchte. Ich kann mich noch erinnern, wie erstaunt ich zu Anfang meiner Zeit in Finnland war, dass das ganze Land im Juli arbeitsmässig stillzustehen schien – Bürokratisches liess sich kaum erledigen, auch die Ämter schienen beim “kollektiven Urlaub” eingeschlossen zu sein.

Den Sommerurlaub verbringen die meisten im Mökki. Foto: Visit Finland

Für deutsche Unternehmen, die z.B. auf ständige Produktion angewiesen sind, kann der Juli in Finnland eine echte Herausforderung darstellen. Das finnische traditionelle Mindset möchte bezüglich des “heiligen Julis” berücksichtigt werden: Wenn der Sommer dann endlich mal da ist, will er auch genossen werden – und zwar in einem bestimmten zeitlichen Rahmen!

So manches Mal musste ich miterleben, wie es zu Konflikten kam, weil sich die finnischen Mitarbeiter von der deutschen Seite überrollt fühlten, was die Urlaubsplanung anging.

Auch wenn Finnland und Deutschland sich in vielerlei Hinsicht ähneln, gilt es, sich mit den kulturellen Besonderheiten des jeweils anderen Landes vertraut zu machen. Finnischen Arbeitnehmern mit recht zentralisiertem Sommerurlaub erschliesst sich dagegen das System der Brückentage und die Buntheit der terminlich stark divergierenden Sommerferien im föderativen Deutschland mit all seinen Bundesländern nur bedingt.

Auch hier gilt also wieder: Nicht besser, nicht schlechter, sondern ANDERS!

In diesem Sinne: Hyvää kesää – einen schönen Sommer wünsche ich!

Birgit

 

 

PS: Im Blog wird nur das generische Geschlecht benutzt; gemeint sind jedoch alle drei Geschlechtervarianten (m/f/d)

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Das Interview mit Birgit

 

Text und Fotos (sofern nicht anders angegeben): ©Birgit Griese-Saarinen, Fideco