Weltfrauentag aus finnischer Perspektive

Vor einem Jahr hat uns die Coronapandemie mit aller Wucht aus der Bahn geworfen. Mit den wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen werden wir uns noch lange beschäftigen müssen. Auch die Fortschritte in der Gender-Gerechtigkeit könnten dadurch gefährdet sein.

In den EU-Ländern insgesamt sind überdurchschnittlich viele in Pflegeberufen beschäftigte Menschen durch Covid-19 infiziert worden, 76 Prozent davon sind Frauen.  Sie haben in systemrelevanten, oft schlecht bezahlten Berufen im Krankenhaus, auf der Intensivstation, im Pflegeheim und an der Supermarktkasse für die Grundversorgung der Gesellschaft während der Krise gesorgt. Gleichzeitig sind sie es, die die unbezahlte Sorgearbeit zu Hause leisten müssen. Am diesjährige internationalen Frauentag stehen folgerichtig die Auswirkungen der Pandemie auf die Frauen weltweit im Vordergrund.

Finnische Frauen gut ausgebildet

In Finnland ist die Gleichstellung der Geschlechter relativ weit fortgeschritten. Bereits in den 1970er Jahren rückte die Gleichstellung der Geschlechter immer stärker in den Fokus der politischen Entscheidungen und seit 1980 gibt es in Finnland ein Gleichstellungsprogramm der Regierung. Aber auch dort sind die letzten Meter der Gleichstellung noch nicht erreicht. Die Diskussion um die Gleichstellung der Geschlechter ist heute vielschichtiger und differenzierter geworden. Themen wie Abbau von Geschlechterstereotypien sind aktuell und die Geschlechterrollen und –vorbilder haben sich verändert. Verbesserungsbedarf hinsichtlich der Geschlechtergleichheit findet man noch z.B. im öffentlichen Dienst, der Bezahlung, der Gewaltprävention und der Mitbestimmung von Frauen in Wissenschaft, Wirtschaft und Politik.

Ein paar statistische Daten über Frauen in Finnland:
  • 50,6 % der finnischen Bevölkerung sind Frauen.
  • 75 % der über 15-jährigen finnischen Frauen haben einen weiteren Bildungsabschluss nach der Basisausbildung erreicht.
  • Von den Menschen mit einem akademischen Abschluss sind 58 % Frauen.
  • Den höchsten Anteil an Frauen mit einem beruflichen Abschluss findet man in der Gesundheitsbranche mit 87 %, den geringsten in den technischen Berufen (16 %).
  • In 2020 waren 70,7 % der Frauen im Alter von 15–64 Jahren berufstätig.
  • 80 % der Frauen sind vollzeitbeschäftigt und 20 % in Teilzeit. Der Anteil der Frauen bei selbständigen Unternehmern liegt bei 33 %.
  • Die Branche mit den meisten weiblichen Beschäftigten sind die Gesundheits- und Sozialdienstleistungen mit 85 % Frauen. Danach kommen Bildung mit 69 % sowie Hotellerie und Gastronomie mit 67 %. Die wenigsten weiblichen Beschäftigten findet man in der Baubranche mit nur 10 %.
  • Frauen haben in 2020 durchschnittlich 3 283 € im Monat verdient, Männer 3 911 €.
  • Bei den Parlamentswahlen in 2019 waren 47 % der gewählten Abgeordneten Frauen, der größte Anteil bisher. In Finnland gibt es keine Quotenregelung bei den Parlamentswahlen.
  • Die meisten weiblichen Abgeordneten stellen die Grünen (85 %), die Christdemokraten (60 %) und die Sozialdemokraten (58 %).
  • Das aktuelle Kabinett besteht zu 62 % aus weiblichen Ministern. Bereits in 2007 gab es eine Regierung unter Vanhanen mit mehr Frauen als Männer.

Das hervorragende Kinderbetreuungs- und Schulsystem Finnlands ermöglicht es Frauen, berufstätig zu sein und auch ohne Unterbrechungen auf der Karriereleiter weiterzukommen. Dennoch gibt es noch Verbesserungsbedarf wie z.B. in Richtung flexiblere Arbeitszeiten, Stressabbau wegen Doppelbelastung und vieles mehr. Die Zahlen zeigen, dass auch die finnischen Frauen von den coronabedingten Auswirkungen der Pandemie sehr stark betroffen sind. Auch wenn die Digitalisierung weiter fortgeschritten ist und damit u.a. der Schulunterricht in Finnland seit Beginn der Pandemie besser funktioniert, ist die Belastung für viele Frauen enorm gewachsen. Gemäß einer Studie des Europäischen Instituts für Gleichstellungsfragen (EIGE) hat die EU zu 67,9 % die Gleichstellung der Geschlechter erreicht. Und wenn es im aktuellen Tempo weitergeht, sind die 100 % in 60 Jahren erreicht!

 

 

 

Quelle: Statistics Finland

Beitragsfoto: Visit Finland/Julia Kivelä