Reisebericht Teil 5: Im Käsivarsi – in Finnlands Arm

Alexandra und Niels-Peter haben mittlerweile wieder den Polarkreis in Richtung Norden überschritten und fahren an der finnisch-schwedischen Grenze am Torniofluss entlang in den nordwestlichen käsivarsi. Dort zeigt sich die Natur von ihrer besten Seite, Polarlicht inklusive.

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Wir haben genug Wärme getankt, von Oulu aus geht es in den Norden, d.h.  erstmal in den Nordwesten. Von dort wollen wir weiter zu den nördlichsten Orten Finnlands und von da ans Polarmeer. Am Ende dieses Teils sind wir in Karasjok in Norwegen. Von Hetta nach Utsjoki ist das die kürzeste Verbindung.

Am Samstag, 27.8., packen wir das Auto in Oulu soweit fertig, fahren aber erstmal mit den Fahrrädern los. Während ich vor dem Dom von Oulu mit Nellie auf Niels-Peter wartete, fragte mich eine sehr nette Finnin, ob sie auf den Hund aufpassen soll, dann könne ich auch in die Kirche gehen. Wir kamen ins Gespräch und es stellte sich heraus, dass sie eine der Ouluer Pastor*innen ist.  Als sie hörte, dass wir mit den Rädern in der Stadt sind, erzählte sie uns, dass der Bischof am nächsten Tag eine Radtour mit Gemeindemitgliedern zu einem Freizeithaus an der Ostsee macht, um es einzuweihen und zu segnen, es gebe dort auch Lachssuppe, wir sollten doch unbedingt hinfahren.

Wir beschließen, das vor unserer Abfahrt zu tun. Von unserem Campingplatz aus sind es laut Rad-Navi nur 6 km. Die haben´s aber in sich, der Weg führt über sandige hügelige Strecken parallel zum Ostseestrand, teils auf Singletrails. Niels-Peter fragt mich, ob ich am Navi Mountainbike eingestellt habe. Wir schaffen es daher so grade und treffen auf dem letzten Stück, das eine normale Schotterstraße ist, auf die Truppe mit dem Bischof.

Fast 100 Leute sind gekommen, davon ca. 80 mit dem Fahrrad. Es ist eine sehr nette Atmosphäre.

 

 

 

 

 

 

 

Wir erzählen, wie wir von der Feier erfahren haben und werden herzlich begrüßt. Einer der mitorganisierenden Pastoren kümmert sich sogar um uns und, da er fünf Jahre in Nürnberg gelebt hat, kann er Deutsch. Es gibt sehr gute Lachssuppe und Kaffee und Torte.

Danach folgt der Gottesdienst, von dem wir ein bisschen verstehen. Die Feier endet mit einer Einladung an die Paul-Gerhardt-Gemeinde in Dietrichsdorf.

Wir verabschieden uns und fahren – wie die meisten anderen, die uns überholen, weil Nellie neben dem Fahrrad läuft, 10 km an der Straße entlang zurück.

Wir fahren dann los und bis ans Ende des bottnischen Meerbusens weiter am Torniofluss entlang der finnisch-schwedischen Grenze. Am frühen Abend erreichen wir Pello. Der Campingplatz ist wie vor drei Jahren urig. Man merkt, dass im Sommer hier vor allem Angler sind. Wir buchen die Sauna am Flussufer von 21-22 Uhr, so kommen wir auch noch zu einem kurzen Bad im Torniofluss.

 

 

 

 

 

 

 

Am Sonntag geht es weiter entlang des Torniojoki, später Muoniojoki Richtung „Käsivarsi“ dem Arm Finnlands, so wird der nordwestliche Teil genannt. Zu Mittag essen wir griechischen Salat an einem Aussichtspunkt über Stromschnellen am Muoniofluss.

Ich hatte gelesen, dass die Sami ihre traditionellen Trachten im Sommer nur sonntags zur Kirche tragen, im Winter auch sonst und würde gern wissen, ob das noch stimmt. In Hetta, dem zentralen Ort von Enontekiö, dem Käsivarsi-Gebiet, findet laut Website der Gemeinde aber an diesem Sonntag kein Gottesdienst statt, sondern um 14 Uhr in einer Außenstelle in Karesuvanto, 50 km weiter Richtung Dreiländereck Finnland/Norwegen/Schweden. Karesuvanto ist ein geteilter Ort, der größere schwedische Teil heißt Karesuvando und liegt auf der anderen Seite des Muonio. Eine Kirche gibt es nur dort.

Wir kommen dort an, aber es ist kein Gottesdienst. Ein weiterer Blick auf die Website klärt auf. Der Gottesdienst findet in einer Kapelle in Karesuvanto statt, die Kirche in Karesuvando auf der schwedischen Seite wird wohl nicht gemeinsam genutzt.

 

Kapelle in Karesuvanto

 

 

 

 

 

 

 

 

Niels-Peter hört sich den restlichen Gottesdienst an. Es sind nicht viele Menschen in der Kapelle und keine*r in Tracht, aber es gibt ein schönes, zur Landschaft passendes Geigennachspiel vom Küster, erzählt er. Ich wandere draußen ein bisschen mit Nellie rum und sammle Pilze.

 

Nach dem Gottesdienst gibt’s einen Kaffee und dann fahren wir endlich nach Hetta. Dort gehen wir auf den Campingplatz, er bietet neben Küche und Sanitärgebäude auch Gemeinschaftssauna und liegt am östlichen Ende des 15 km langen Sees Ounasjärvi, schon außerhalb des Ortes, aber nur 3 km vom Luontokeskus, dem Naturzentrum, entfernt.

 

 

Das nordische Licht am See ist traumhaft, morgens und abends besonders.

 

Nellie bekommt gleich Besuch vom sehr freundlichen Hund der Eigentümer.

 

Am Montag fahren wir mit den Rädern zum Luontokeskus, kaufen eine Karte und entscheiden uns, die erste 10 km-Wanderung gleich zu machen, das Wetter ist ganz gut angesagt. Wir kommen durch Wald und Moor bis auf den Gipfel des Jyypyrä, eine heilige Stätte der Samen, von dem man eine phantastische Aussicht hat.

 

 

 

 

 

 

 

Am Dienstag wollen wir auf den Pyhäkero, einen mit 711 m für diese Gegend ziemlich hohen Tunturi/Berg. Wir setzen nicht mit dem Wassertaxi über, sondern fahren mit den Rädern 7 km über eine teils sandige, mit Schranke abgesperrte Schotterstraße (ich verstehe langsam, warum hier so viele Fatbike fahren) zum Parkplatz vor dem Eingang zum Ylläs-Pallastunturi-Nationalpark. Der Nieselregen wird stärker, als wir die Räder abstellen. Ein junger Finne macht vor einem VW-Bus Würstchen auf einem Campingkocher warm. Er fragt uns, ob wir „shelter“ brauchen können und klappt die Heckklappe seines Wagens hoch, so dass wir drunter stehen können, bis der Regen nachlässt. Er ist mit seiner Tochter aus Vantaa bei Helsinki mit dem Zug gekommen und hat das Auto von einem Freund in Rovaniemi geliehen bekommen. Nun macht er Abenteuer-Urlaub mit seiner Tochter. Wir wandern los und stärken uns nach ca. 2 km in einem Sommercafé in einer Holzhütte neben der Wanderhütte. Dann geht es 400 m bergauf über die Baumgrenze.

Nellie bellt und als wir uns umdrehen, sehen wir die Silhouetten von Rentieren auf dem Hügel hinter uns. Das letzte Stück des Aufstiegs ist steinig und steil.

 

 

 

 

 

Von oben staunen wir über die unfassbare Weite, die sich dem Blick in alle Richtungen bietet.

Auch auf dieser Höhe sind Seen. Weiter hinten leuchtet die Sonne den Regen an.

Beim Abstieg taucht vor uns plötzlich eine ganze Rentierherde auf, einige weiße Tiere sind dabei. Nellie hat sie wieder zuerst entdeckt, der Wind weht aus der Richtung. Es ist ein traumhafter Anblick, als die Herde vorbeizieht.

Zurück will Nellie immer noch rennen und nicht in den Anhänger. Sie ist richtig fit geworden. Wir sind froh, als wir auf dem Campingplatz sind.

Am Mittwoch soll es regnen (tut es nicht bis 17 Uhr – die Wettervorhersage des finnischen Wetterdienstes hier habe ich wohl noch nicht ganz verstanden). Wir beschließen einen Ruhetag mit einem kleinen Ausflug in den Ort zur Kirche, laut Hetta-Website der vielleicht schönsten in Finnland – und zum Einkaufen. Die Kirche hat tatsächlich durch den langen schlanken Turm und die in der Sonne ganz leicht glitzernde Fassade einen besonderen Zauber. Innen wird dies verstärkt durch das außergewöhnliche Altarbild, ein überwiegend weißes Fresko-Mosaik mit Motiven aus Enontekiö: Sami, Rentiere, Äste mit Schneehuhn, darüber nicht ein gekreuzigter, sondern ein segnender Jesus. Dazu kommt die architektonische Gestaltung mit Licht, viel Holz und einer schönen Orgel.

Offensichtlich gibt es auch eine Senioreneinrichtung in Hetta, bei den vielen Helfern müssen wohl Ehrenamtliche dabei sein.

Zurück geht es unter einem der vielen Regenbögen, die wir in diesen Tagen sehen, weil es immer mal wieder regnet und dann die Sonne aber durchkommt.

 

 

 

 

 

 

 

Nach Mitternacht weckt Niels-Peter mich und fragt, ob ich mit rauskommen will. Auf dem Weg zur Toilette hat er einen grünlichen Nebel gesehen. Ich stehe sofort auf und wir sehen unser erstes Nordlicht: der grüne Nebel hat sich im Norden zu einem wunderschönen grünen Schweif formiert. Niels-Peter hat sein I-Phone dabei und das fängt es tatsächlich ein (die Spiegelreflex liegt im Rucksack, da für diese Nacht absolut nichts angekündigt war). Wir freuen uns an dem Bild, das der Fuchs der Sage nach an den Himmel gemalt hat.

Foto: Niels-Peter Mahler

 

Am Donnerstag, 1. September, zieht es uns weiter. Wir essen zu Mittag im Restaurant des Naturzentrums in Hetta, allerdings draußen, Hunde dürfen nicht rein. Danach bringen wir Nellie ins Auto und sehen uns die Ausstellung zur Geschichte und Kultur der Sami.

Hier ein paar Eindrücke:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Uns hat Hetta sehr gut gefallen, wir werden auf jeden Fall wiederkommen. Nun aber geht es weiter Richtung Utsjoki und das heißt erstmal nach Norwegen.

Wir folgen bald dem finnisch-norwegischen Grenzfluss Tanajoki. Auf finnischer Seite ist die Straße bergig, dafür ist die Aussicht nach Westen super.

 

Am frühen Abend erreichen wir Karasjok, eine Gemeinde, in der hauptsächlich Sami leben. Der Campingplatz liegt oberhalb des Flusses mit einem schönen Blick auf den Ort.

 

 

 

 

 

 

 

In Karasjok befinden sich das Parlament der Sami in Norwegen und die größte Bibliothek mit Büchern in samischer Sprache. Die Architektur spiegelt die Bauweise der Sami und die Verbindung zur Natur wider, sie ist überall gegenwärtig.

 

 

 

 

 

 

 

Die neue Kirche ist einer Sami-Kota nachempfunden. Auch innen ist sie sehr ungewöhnlich.

 

 

 

 

 

 

 

Die alte Kirche steht auf der anderen Seite des Flusses.

Hier sind Vergangenheit und Gegenwart nah beieinander.

Die Ausstellung zeitgenössischer samischer Kunst können wir leider nicht sehen, sie ist geschlossen, es wird grade die neue Ausstellung aufgebaut.

Niels-Peter stellt fest, dass man mit dem Motorschlitten schon im ersten Gang bis zu 60 km/h fährt.

Es ist ziemlich kühl geworden, aufplustern ist da die richtige Antwort.

 

Auch wir haben Tisch und Stühle nicht mehr draußen stehen. Nur Nellie will immer draußen aufpassen.

 

 

 

 

 

 

 

Am nächsten Tag fahren wir weiter. Nach 12 km sind wir wieder in Finnland und folgen dem Deatnu (Samisch) oder Teno, wie der  Fluss auf Finnisch heißt, bis Utsjoki.

Text und Fotos: Alexandra Mahler-Wings

Fortsetzung folgt!

Bisherige Beiträge:

Teil 1: Neun Wochen durch Finnland mit dem VW-Bus

Teil 2: Am Polarkreis im Mökki und Airbnb

Teil 3: Vaasa und der Kvarken

Teil 4: Von Vaasa nach Oulu – Sommer in der Stadt

 

Und hier noch ein paar Rezepte aus Lappland!