POTPURI – Interkulturelle Impressionen aus Turku

Von Dos and Don’ts und Waschmaschinen –

Blogbeitrag von Birgit Griese-Saarinen

Ein junger Manager im Businesslook stürmt eiligen Schrittes und mit Blick auf seine Armbanduhr in den Seminarraum: “Können Sie mir bitte in 15 Minuten erklären, wie ich einen Finnen dazu bekomme, das zu tun, was ich von ihm verlange?” Ich stutzte, vergewisserte mich, dass der junge Herr die Aussage ernst meinte und antwortete: “Nein, tut mir leid. Da muss ich passen.”

In der heutigen Geschäftswelt to go soll immer mehr Wissen in immer weniger Zeit vermittelt werden.

Ein Seminartag ist minimaler Einsatz mit großer Wirkung auf interkulturelle Kompetenz, Foto: Mikko Törmänen/ Keksi/BusinessFinland

In meinem letzten Blogbeitrag schrieb ich von der unter Interkulturalisten beliebten Eisbergmetapher: Es gilt den unsichtbaren Teil des Eisberges unter der Wasseroberfläche zu erkunden, wenn man sich wirklich mit dem Mindset eines ausländischen Counterparts auseinandersetzen möchte.  Es gilt Umsetzungsstrategien für die Praxis zu entwickeln, um die Zusammenarbeit möglichst effizient und ressourcenorientiert zu gestalten. WinWin-Effekte sind dann garantiert!  Doch auch die eigene Bewusstseinsmachung und Reflexion von Werten ist notwendig, wenn ein interkulturelles Training keine Einbahnstrasse  werden soll. Denn interkulturellen Konflikten liegen immer nicht erfüllte Erwartungen zugrunde.

Die Frage muss also lauten: Was alles ist für mich in meiner eigenen Arbeitskultur selbstverständlich? Welche Vorgehens- und Denkweisen und Werte setzte ich somit auch bei ausländischen Counterparts einfach so voraus?

Um auf das Beispiel unseres eiligen Managers zurückzukommen: Wie soll das alles bitte in 15 Minuten gehen? Das in diesem Fall scheinbar gewünschte Herunterrattern von Dos and Don’ts  als Vorbereitung für eine internationale Kollaboration kommt einer Gebrauchsanweisung für zukünftige Kollegen gleich und ist mitnichten förderlich, sondern aus dem Kontext gerissen. Es geht ja schlieβlich nicht um Waschmaschinen, sondern um Individuen und deren Wertschätzung.

Reibungspunkte vermindern Arbeitseffizienz

Oft wird auch argumentiert, dass ständige Geschäftsreisen ins Ausland automatisch mit interkultureller Kompetenz gleichgesetzt werden können. Dabei setzt diese immer ähnlich einer Paartherapie Selbstreflexion voraus – wie soll ich Counterparts anderer Nationen verstehen, wenn ich nicht weiβ, wie ich selbst ticke? Und auf Geschäftsreisen nimmt man sich selbst bekanntlich ja immer mit.

Bei internationaler Zusammenarbeit geht es um Menschen, die miteinander agieren. Foto: C.Wenning/Unsplash

Ein Trainee brachte all dies in einem meiner deutsch-finnischen Workshops auf den Punkt:  “Wenn man sich überlegt, wieviel Lebenszeit man mit Arbeit verbringt und wie sehr z.B. durch interkulturelle Missverständnisse entstandene Konflikte die Arbeitsmotivation senken, ist so ein Trainingstag tatsächlich ein minimaler Einsatz – noch dazu mit groβer Wirkung.” Stimmt. Und er macht sich bezahlt, denn die Arbeitseffizienz vermindernden Reibungspunkte können vermieden bzw. sogar komplett aufgelöst werden.

Günther Jauch sagte einmal “Bildung kann man nicht downloaden”. Dies gilt auch für den interkulturellen Sektor. Bei der internationalen Zusammenarbeit geht es trotz aller aktuellen KI-Diskussionen immer noch um Menschen, die sich aufeinander einstellen müssen – keine Roboter, die man programmieren kann. Es gibt halt Dinge, für die man sich trotz aller Hektik und Eile Zeit nehmen sollte – denn auch Zwischenmenschliches lässt sich nicht downloaden.

Grüße aus Turku

Birgit

 

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Text und Fotos (sofern nicht anders angegeben): ©Birgit Griese-Saarinen, Fideco