POTPURI – Interkulturelle Impressionen aus Turku

Minimalistische Namensverwendung à la Finnland oder: Fische auf dem Trockenen

 Blogbeitrag von Birgit Griese-Saarinen

Wie schon mehrmals in meinen Blogbeiträgen angedeutet, liegt im interkulturellen Umgang der Teufel oftmals im Detail. Auch auf dem deutsch-finnischen Sektor können vermeintliche kulturunterscheidende Kleinigkeiten oft große Auswirkungen auf das Endergebnis haben. Die eigene kulturelle Brille bestimmt, welche Erwartungen wir an unser ausländisches Gegenüber haben. Verhält sich dieses Gegenüber unvorgesehen anders als erwartet, wird dies leider oft als negativ empfunden und bewertet.

In blühender Erinnerung ist mir ein im Ruhrgebiet angesiedeltes Unternehmen geblieben, dessen Mitarbeiter in meinen Trainings immer wieder einbrachten, dass die finnischen Counterparts “unpersönlich” aufträten.

Zu leicht anders gestalteten Begrüβungs- bzw. Abschiedszeremonien in Finnland habe ich mich bereits in einem früheren Beitrag geäuβert – hier soll es jetzt um das Thema “Verwendung von Namen” gehen. Denn genau dieses Thema hatte nach genauerem Nachfragen in diesem Unternehmen einen recht groβen Stellenwert. Die fehlende Ansprache mit Namen beschwört bei vielen Deutschen das oben beschriebene Gefühl der „Unpersönlichkeit“ herauf.

Wie ein Fisch im Wasser – die Sozialisation lässt grüβen

Foto: Ahmed Zayan/Unsplash

Wie so oft in interkulturellen Kontexten fällt einem die Wichtigkeit eines kulturellen Sachverhalts erst dann auf, wenn dieser plötzlich wegfällt. Hierzu passt ja wunderbar die Kulturdefinition von Fons Trompenaars, seines Zeichens Interkulturalist, nach der man sich – umgeben von seiner eigenen vertrauten Kultur – wie ein Fisch im Wasser fühlt. Erst wenn dieses vertraute Wasser fehlt und man sich in fremden Wassern aufhält bzw. wie in der bilateralen Zusammenarbeit mit diesen in Berührung kommt, wird man sich dieser wichtigen eigenkulturellen Elemente bewusst. Die Trainingsteilnehmer fühlten sich sozusagen beim eher minimalistischen Gebrauch ihrer Namen durch die finnischen Counterparts wie Fische auf dem Trockenen.

Auch für mich hörte sich zugegebenermaβen in den ersten Finnlandjahren ein „Wie geht´s dir, Birgit?“ einen Tick heimischer, persönlicher und irgendwie gemütlicher an als dieselbe Frage ohne eingeflochtenen Namen.

Meine Sozialisation in Deutschland hat somit eindeutige Spuren hinterlassen und dafür gesorgt, dass mich auch in geschäftlichen Kontexten die Anrede mit dem eigenen Namen direkt in die Wohlfühlzone beförderte. Sich an den Namen des Gegenübers zu erinnern, gehörte demnach zum guten Ton; in jedem Managerseminar wurde darauf hingewiesen, dass man in Meetings am besten die Visitenkarten (mittlerweile schon antiquiert?) vor sich platzieren sollte, um bei Bedarf die Namen der anderen Beteiligten als Zeichen der Wertschätzung flieβend in die Kommunikation einbauen zu können. Die Mühe des Nameneinprägens schien sogar mit dem Verkaufserfolg zu korrelieren.

Für viele deutschsprachige Trainingsteilnehmer ist es nur schwer vorstellbar, dass man hier im hohen Norden eben diese Namensnennung als viel weniger essenziell empfindet: Wie kann es sein, dass viele Finnen ein „Hei“ der ausführlicheren Variante mit Namensnennung des Gegenübers bevorzugen?

Fakt ist, dass weder Vor- noch Nachnamen in Finnland inflationär gebraucht werden. Da ja eine weitreichende Duz-Kultur herrscht, spielt der Nachname sowieso oft nur eine untergeordnete Rolle.

Ausnahmen bestätigen die Regel:

In den verbalen Fernsehduellen der beiden finnischen Kanzlerkandidaten wurden diese zum Beispiel in den letzten Wochen immer nur mit „Stubb“ und „Haavisto“ zum Reden aufgefordert, was mir auch komisch anmutete.

Inflationäre Namensnennung erinnert an Call-Center

Im Laufe meiner Trainerjahre habe ich oft in finnischen Unternehmen nachgefragt, wie es sich mit der Namensnennung verhält. Eine zu häufige Namensnennung wurde unter finnischen Counterparts häufig sogar mit amerikanischen Verkaufstechniken und Call-Centern in Verbindung assoziiert, die sich einer wirklich inflationär anmutenden Namensnennung zwecks Vertrauensaufbau bedienen. Finnen ist ein solches Vorgehen eher suspekt.

Ein finnischer Teilnehmer brachte dieses mal sehr pragmatisch auf den Punkt: „Wir wissen doch alle selber, wie wir heiβen. Deswegen müssen wir unsere eigenen Namen nicht ständig hören.“ Was wiederum meine These, dass in der finnischen Kommunikation -gleichermaβen wie in der finnischen Architektur- alles „Überflüssige“ weggelassen werden kann, bestätigt.

In der bilateralen Zusammenarbeit sollten solche Themen ruhig auf der Meta-Ebene zur Sprache gebracht werden, sind sie doch potenzielle Gefahrenquellen für eine reibungslose Zusammenarbeit. Auch das oben genannte Unternehmen im Ruhrgebiet interpretiert die finnischen Anredeformen mit „Sparflammen-Qualität“ mittlerweile nicht mehr als fehlende Wertschätzung bzw. Brüskierung, ein Perspektivwechsel hat hierbei geholfen.

Kurz und knapp bedeutet auch in diesem Fall mitnichten weniger herzlich, auch wenn es gewöhnugsbedürftig sein mag!

Hyvää ystävänpäivää

Birgit

 

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Text und Fotos (sofern nicht anders angegeben): ©Birgit Griese-Saarinen, Fideco