POTPURI – Interkulturelle Impressionen aus Turku

Buttermilch mit überraschender Botschaft –

Blogbeitrag von Birgit Griese-Saarinen

Foto: Visit Finland

In einem meiner früheren Blogbeiträge ging es darum, dass interkulturelle Konflikte in der Regel durch unerfüllte Erwartungen entstehen, die jeweils eigenkulturell geprägt sind.

Ein anschauliches Beispiel dafür ist das in meinen interkulturellen Trainings viel diskutierte Thema small talk. Auf finnischer Seite wird beständig und hartnäckig behauptet, dass man diese Art von Kommunikation nicht beherrsche. Mir scheint sogar, dass das Thema häufig negative Konnotationen hervorruft. Was hat es wohl damit auf sich?

Die spezielle finnische Variante dieser Spezies findet nicht nur bei den deutschen Counterparts, sondern auch in den ausländischen Medien immer wieder Beachtung. Schlagzeilen wie der BBC-Artikel “How the Finnish survive without small talk” (2018) zeigen, dass andere Nationen sich durchaus Gedanken darüber machen, wie es mit dieser Kommunikationskomponente im hohen Norden Europas aussieht.

Achtung – interkulturelle Falle!

Denn auch bei diesem Beispiel wird die eigene – in diesem Fall die britische – Kultur als das Non plus ultra angesehen! Schon das dramatische Wort “survive” ist eine klare Indikation dafür, dass die Briten small talk als unabdingbar, ja sogar lebenswichtig für ihr soziales Miteinander sehen.

Aber vielleicht ist das ja in good old Finland gar nicht der Fall? Vielleicht gibt es einfach andere Ansprüche an diese “kleinen Gespräche”?

Zu meiner groβen Überraschung verleitete mich ausgerechnet eine gewöhnliche Buttermilch-Verpackung (auf Finnisch piimä) mit folgendem mysteriösen Satz zur interkulturellen Detektivarbeit:

Foto: Team Finland/R. Supperi

Die Firma Pohjolan Meijeri versah vor einigen Jahren ihre grün-weiβen Pappverpackungen mit witzigen Sprüchen zur finnischen Nationalität, um KonsumentInnen zum Kauf einheimischer Lebensmittel zu motivieren.

Der Originaltext lautet: ”Tämä piimä on yhtä suomalaista kuin se, että puhutaan vain silloin kun on asiaa.”  Frei übersetzt heiβt dies: “Diese Buttermilch ist genauso finnisch wie die Tatsache, dass man in Finnland nur redet, wenn es etwas zu sagen gibt.”

Aha! Man kann also, um auf das britische Beispiel zurückzukommen, scheinbar durchaus auch ohne Small Talk surviven, indem man seinem Gegenüber eine Konfrontation mit “überflüssigen Infos” erspart? Eine spannende These, der es auf den Grund zu gehen gilt:

Wann hat man denn nach finnischem Gutdünken “etwas zu sagen”? Und inwiefern unterscheiden sich die Auffassungen darüber in Deutschland und Finnland? Auch die Kommunikation betreffend lautet das Motto also weiterhin: Nicht besser, nicht schlechter, sondern ANDERS.

Oder anders ausgedrückt: Lieber Smart Talk als Small Talk?

Beispiel:

– “Wie geht´s?”

Rückfrage erwartet, kommt nicht immer.

Was erwartet man? Ein gesellschaftlich anerkanntes:  “Danke, gut – und dir?”

Oder eine ehrliche emotionale, ausführliche Bestandsaufnahme, die in ihrer Komplexität den Situationsrahmen sprengen würde?

Mehr zum Thema Small Talk im nächsten Blogbeitrag!

 

In diesem Sinne – Grüße aus Turku

Birgit

Interessante Links:

Yle: Silence is golden

How the Finnish survive without small talk

Weitere Informationen

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Das Interview mit Birgit

 

Text und Fotos (sofern nicht anders angegeben): ©Birgit Griese-Saarinen, Fideco