POTPURI – Interkulturelle Impressionen aus Turku
Die Sache mit dem Lüften
– Blogbeitrag von Birgit Griese-Saarinen
In der internationalen Zusammenarbeit und auch bei internationalen Privatkontakten lohnt es sich immer zu überlegen, welche Teile des eigenen Mindsets kulturabhängig sind:
Inwiefern hat mich meine Sozialisation geprägt? Welche Gegebenheiten sind im Privat- und Berufsleben für mich selbstverständlich?
Nur durch Selbstreflektion können wir letztendlich die Antwort darauf finden, warum uns ein bestimmtes Verhalten ärgert oder irritiert. Normalerweise ist dies der Fall, wenn wir unsere eigene Komfortzone verlassen müssen. Dies ist auch im deutsch-finnischen (Arbeits-)Kontext nicht anders.
Wie schon des Öfteren beschrieben, bewerten wir das Verhalten einer fremdkulturellen Person ja immer durch die eigene kulturelle Brille. Und dies wird uns oft zum Verhängnis. Die originelle Interpretation eines auf landeskundlichen Unterschieden beruhenden Ereignisses sorgte in einem meiner interkulturellen Trainings für Heiterkeit.
Müffelt es?
Es handelte sich um finnische Trainingsteilnehmer:innen, die sich mitten in einem Fusionsprozess mit einem deutschen Unternehmen befanden. Etliche Meetings in Deutschland fielen daher an und die deutschen Counterparts rissen nach jeder Sitzung die Fenster auf, bevor sie den Raum verlieβen.
Die finnischen Mitarbeiter:innen fühlten sich scheinbar angesichts der konsequenten Wiederkehr dieser Aktion nach Meetings mit ihnen peinlich berührt. Während der Q&A- Session unseres nächsten Trainings fassten sie sich ein Herz und fragten vorsichtig, was es hiermit denn auf sich habe. Wolle man ihnen etwa durch die Blume zu verstehen geben, dass etwas mit ihrer “Duftnote” nicht stimme?
Ich brach ungewollt in Gelächter aus und merkte wieder einmal, wie wenig man über die Gepflogenheiten des eigenen Herkunftslandes nachdenkt: In Deutschland herrscht ja tatsächlich eine regelrechte “Lüftkultur”, die ihresgleichen sucht! Besonders durch Corona scheinen sich mannigfaltige Lüftungstechniken entwickelt zu haben, die beibehalten wurden.
Stoßlüften ist angesagt
Seitdem ich in Finnland wohne, habe ich tatsächlich aufgrund der Tatsache, dass es meistens Klimaanlagen in den jeweiligen Räumlichkeiten gibt, so gut wie nie gelüftet! Der Lüftvorgang ist nach finnischem Gutdünken also Extremsituationen wie etwa bei Rauchbildung oder angebranntem Essen vorbehalten.
Plötzlich erinnerte ich mich an meine Oma, die nie zu Bett ging, bevor ihre Wohnung nicht “stoßgelüftet” war. Und mir fiel auf, dass mich schon viele Deutsche bedauernd darauf aufmerksam gemacht haben, dass man in finnischen Firmen bei Bedarf nicht die Fenster öffnen bzw. in Hotels nicht bei offenem Fenster schlafen könne.
Wie schön, dass sich solche interkulturellen Missdeutungen und damit verbundene zwischenmenschliche Unsicherheiten so einfach durch einen landeskundlichen Vergleich aufklären lassen. Mittlerweile beteiligen sich sogar die finnischen Trainees an einigen Lüftungszeremonien in Deutschland – so kann man voneinander lernen.
Birgit
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Oma maa mansikka, muu maa mustikka
Text und Fotos (sofern nicht anders angegeben): ©Birgit Griese-Saarinen, Fideco