Reisebericht Teil 9: Die Hauptstadt zum Schluss

Nun stehen noch zwei Städte auf dem Programm, Tampere und Helsinki. In der Hauptstadt schließt sich der Kreis.

Karte: freemapviewer, bearbeitet von Niels-Peter Mahler

Als wir am Samstag, den 24.09., mittags in Tampere bei dem nur 5 km vom Stadtzentrum entfernten Campingplatz Härkälä ankommen, stehen wir vor einer verschlossenen Schranke. Dann finden wir das Schild, dass der Platz am Vortag geschlossen hat. Wir sind nicht darauf gekommen, die Öffnungszeiten zu checken. In Oulu und Helsinki sind die Stadtcampingplätze das ganze Jahr lang offen und Tampere ist immerhin die drittgrößte Stadt. Eine Alternative in Fahrradentfernung zur Stadt gibt es nicht. Wir haben Hunger und beschließen, in die Stadt zu fahren und zu überlegen, was wir weiter machen.

Das Ergebnis ist, dass wir den Tag in Tampere verbringen, den längeren Besuch verschieben und abends zum nächsten SFC-Platz fahren. Von dort aus ist es nicht weit bis Iittala, der Geburtsstätte des berühmten finnischen Glasdesigns, sie würden wir gern sehen.

 

 

 

 

Hier ein paar Eindrücke aus der früheren Industriestadt Tampere:

Die früheren Fabriken, jetzt Bürogebäude und Kulturstätten und die Stromschnellen, die über das Kraftwerk die Fabriken mit Energie versorgten,

 

 

 

 

 

 

 

 

 

repräsentative Bauten am Marktplatz und die neue Tram.

 

 

 

 

 

 

 

 

Abends kommen wir südlich von Tampere in Hakalanranta an, es liegt in der Nähe von Valkeakoski an der Seenplatte – und natürlich an einem See.

Für den nächsten Tag überlegen wir eine Radtour. Am Sonntagmorgen ist dann aber die dritte und letzte Gasflasche leer. Für die nächste Nacht sind 4 Grad angesagt, ohne Heizung geht das schlecht, vor allem für Nellie, die nicht unterm Federbett liegt. Da wir das Apartment in Helsinki nicht früher bekommen können, buchen wir auf dem Campingplatz dort eine Hütte.

Aber erstmal fahren wir nach Iittala und besichtigen die Ausstellung über den Werdegang dieses alteingesessenen Unternehmens. Es ist anschaulich dargestellt, wie die Technik zur Herstellung der Glaswaren sich im Laufe der Zeit geändert hat. Trotzdem sind auch heute an der Herstellung einer Alvar Aalto Vase 7 Handwerker*innen beteiligt. Nach einigen internationalen Eigentümerwechseln gehört Iittala heute zur Fiskars-Gruppe, dem ältesten finnischen Unternehmen. In der Ausstellung begegnet mir auch die Vase wieder, die ich in Oulu im Museum gesehen habe. Sie heißt Kantarelli, wurde von Tapio Wirkkala entworfen, bis 1957 hergestellt und ist für 1.500 Euro zu bekommen.

 

Da wir schon mal bei der Glas-Geschichte sind, statten wir auch dem finnischen Glasmuseum in Riihimäki einen Besuch ab. Es lieg sowieso auf dem Weg. Hier beeindruckt eine internationale Glas- und Glaskunstausstellung.

Abends bringen wir unser Essen und die Klamotten aus Kardemumma in die Hütte.

Morgens koche ich in der Küche des Campingplatzes die letzten Blaubeeren noch aus Korvala ein. In die Wohnung können wir ab 16 Uhr.

 

In der Liste der hundefreundlichen Cafés in Helsinki steht das Verso im Stadtteil Herttoniemi, der auf dem Weg in die Innenstadt liegt. Dort, im alten Stadtteil Kruununhaka, liegt das Haus mit unserem Apartment.  Verso ist ein vegetarisches Restaurant und offensichtlich – wir finden zu recht – ein nachgefragter Mittagstisch.

Kurz nachdem wir losfahren, kommen wir an einem Kirppis (= Secondhand-Laden) vorbei. Wir gucken rein und finden die Iittala-Glasleuchter, die wir gestern im Iittala-Outlet gesehen haben (Festivo, entworfen von Timo Sarpaneva), für einen Bruchteil des Preises. Wir nehmen vier mit.

In Helsinkis Innenstadt gibt es kaum kostenfreie Parkplätze, ein Tag kostet 55 Euro, in der zweitteuersten Zone 27 Euro. Wir laden deshalb erstmal aus, dann fährt Niels-Peter Kardemumma auf einen kostenfreien Parkplatz am Rand der Innenstadt und kommt mit Fahrrad wieder. Nachdem wir in der Wohnung alles verstaut haben, ist es früher Abend.

 

Dienstagmorgen gehe ich mit Nellie raus. Ganz nah liegt die Teerinsel (Tervasaari), heute mit Park, Spielplatz und Hundeauslaufflächen.

Der Blick in die unterschiedlichen Richtungen zeigt das alte Helsinki,

 

 

 

 

 

 

 

…den moderneren Teil und schließlich den neu gebauten und sich noch weiter entwickelnden Smart City Stadtteil Kalasatama.

 

 

 

 

 

 

Das Wetter ist gut angesagt, wir haben uns eine Fahrradtour weit in den Norden der Stadt ausgeguckt. Erst geht es durch städtisches Gebiet vorbei an Pasila, von wo aus auch die Autozüge nach Norden fahren. Dann fahren wir am Fluss entlang bis zu dem Ort, an dem Helsinki ursprünglich gegründet wurde, Vanhakaupunki. Heute ist der Bereich an den Stromschnellen des Vantaa-Flusses Naherholungsgebiet.

 

 

 

 

 

 

 

Weiter geht es am Fluss Vantaa entlang, eine Schulklasse veranstaltet dort einen Staffellauf. Wir kommen auch an Badestellen vorbei.

Auch hier findet sich der frühere Baustil, aber auch moderner….

 

 

 

 

 

 

 

… und noch zeitgemäßer.

Unser Ziel ist ein alter Bauernhof, der heute noch in Betrieb ist und nebenbei Ausflugsort vor allem für Familien mit Café und Tieren.

Nellie findet das auch ganz interessant.

 

 

 

 

 

 

 

Wir essen Suppe und Nudeln und machen uns auf den Rückweg durch den 10 km langen Zentralpark (keskuspuisto) von Helsinki, der eher ein Wald ist.

Auf dem Hin- und dem Rückweg kommen wir an einer Art Schrebergärten vorbei, aber bis auf einen, ohne Hütten, teils mit, teils ohne Zäune.

 

 

 

Bei einem Abstecher durch ein Wohngebiet nehmen wir eine von den Tüten mit Äpfeln mit, die zum Verschenken draußen stehen. Schließlich kommen wir am Olympiastadion vorbei.

Die Abendsonne beleuchtet die Stadt, hier das neue Konzerthaus Musiikkitalo. Das Museum für moderne Kunst Kiasma trägt zurzeit die Aufschrift „NO WAR“.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

In der Stadt ruhen wir uns nach 36 km Fahrradfahren bei Roberts Coffeeshop aus, in seine Filialen darf Nellie mit. Es liegt an der Pohjois/Nord-Esplanade und ist ein Jugendstilsalon mit Sesseln. Auf dem Rückweg gibt´s noch ein Foto vom Dom.

 

Am Mittwoch, unserem letzten Tag in Helsinki, teilen wir uns auf: vormittags geht Niels-Peter ins Museum, nachmittags ich. Er hat das HAM, Helsinki Art Museum, ausgesucht. Dort ist u.a. eine Ausstellung über das Leben von Tove Jansson, die mit den Mumins berühmt wurde, aber auch Fresken (dort ausgestellt) und Gemälde geschaffen, später auch Erzählungen geschrieben hat.

Abends haben wir Karten für ein Jazzkonzert und wir wollen Nellie nicht zweimal in der Wohnung alleine lassen. Ich bummele vormittags mit Nellie durch den Stadtteil und bewundere die Jugendstilfassaden, teils mit nationalromantischem Einschlag.

 

Ich habe mich für das Architekturmuseum entschieden. Dort wird eine Ausstellung gezeigt über das Werk einer der ersten finnischen Architektinnen und der ersten, die ein eigenes Büro hatte: Wivi Lönn.

Zu ihrem 70. Geburtstag 1942 wurde der finnische Architektinnenverbund Architekta gegründet.

Wivi Lönn in ihrem Büro, ca. 1918, Foto: CC BY 4.0

Frauen galten um die Jahrhundertwende 1900 mit 25 Jahren zwar als „sovereign“, d.h. sie durften einen Beruf wählen, wenn sie aber heirateten, konnte der Mann entscheiden, ob die Frau in ihrem Beruf tätig sein durfte und er konnte über ihr Einkommen verfügen. Viele Frauen, die ihren Berufsweg gehen wollten, haben deshalb damals auf Ehe und Familie verzichtet. Andere heirateten und arbeiteten z.B. als Architektinnen mit ihren Männern zusammen, wurden aber nicht genannt. Wivi Lönn stellte in ihrem Büro Kolleginnen ein. Architekta war ein wichtiges Netzwerk für die Architektinnen in Finnland.

Als Wivi Lönn Architekurwettbewerbe gewann, wurde das Ergebnis der Jury angezweifelt, zum Glück ohne Erfolg. Die Fotos der von ihr entworfenen Gebäude zeigen, wieviel ärmer die Welt ohne die Realisierung ihrer Entwürfe wäre. Einige sind im Internet auf der englischen Seite zu sehen. Mehr Fotos der von ihr entworfenen Gebäude findet man auf der finnischen Seite.

Niels-Peter holt mich mit Nellie ab. Auf dem Rückweg zum Apartment kommen wir an einer der Büchereien vorbei, in die Hunde dürfen, sowas gibt es in Helsinki.

Nach dem Abendessen fahren wir mit den Rädern unter etwas dramatischem Abendhimmel am Marktplatz am Hafen vorbei ans andere Ende der Innenstadt zum Konzert.

Der norwegische Trompeter Mathias Eick spielt mit dem finnischen Sointi Jazz Orchestra im G Livelab zusammen. Es ist tolle Musik, der Laden proppenvoll.

 

 

 

 

 

 

 

Als wir rauskommen, müssen wir leider im Dunklen in strömendem Regen nach Hause radeln, dank Regenzeug und Navi klappt das ziemlich schnell.

Am Donnerstag, 29.9., ist vor der Abfahrt der Fähre Großeinkauf von finnischen Leckereien angesagt, die es bei uns nicht gibt.

Um 14 Uhr sind wir am Terminal und kommen aber kurz vor Abfahrt erst aufs Schiff. Uns fallen viele russische Autos auf. Das Buffetrestaurant ist abends sehr voll, ungewöhnlich um diese Jahreszeit. Auch hier hören wir viel russisch, meist sind es junge Familien. Niels-Peter trifft in der Sauna zwei Männer, die sich ein Leben außerhalb von Russland aufbauen wollen.

Es ist schon etwas Anderes, das, was man aus den Nachrichten weiß, zu erleben: dass junge Männer, hier viele mit Familien, Russland verlassen. Der Gedanke daran, was sie alles zurücklassen, ohne zu wissen, ob und wann sie zurückkönnen, macht betroffen. Und trotzdem haben die, die raus können, noch Glück, dass sie nicht in den Krieg müssen.

Morgens nutze ich die Frauen-Sauna und habe sie für mich allein. Der Seetag beschert uns nochmal Sonne.

Heute gehen 9 Wochen Finnland zu Ende. Es waren volle, aber nicht zu volle, und sehr, sehr schöne Wochen. Der Blog wird beim Erinnern helfen. Ich hoffe, Ihr habt ihn gerne gelesen.

Text und Fotos: Alexandra Mahler-Wings

 

Bisherige Beiträge:

Teil 1: Neun Wochen durch Finnland mit dem VW-Bus

Teil 2: Am Polarkreis im Mökki und Airbnb

Teil 3: Vaasa und der Kvarken

Teil 4: Von Vaasa nach Oulu – Sommer in der Stadt

Teil 5: Im Käsivarsi – in Finnlands Arm

Teil 6: Von Utsjoki in Lapplands Norden zum Eismeer

Teil 7: Um den Varangerfjord nach Klein-Finnland und zum Inari-See

Teil 8: Vom Sami-Meer Richtung Tampere